Gespräch zu Wolfgang Stützels Werk mit Johannes Schmidt

Ein Mitschnitt unseres Gesprächs mit Johannes Schmidt von der Hochschule Technik und Wirtschaft Karlsruhe über Wolfgang Stützels Saldenmechanik ist online:

Johannes Schmidt hat eine Reihe sehr informativer Aufsätze zu Stützels Saldenmechanik verfaßt, die uns dazu angeregt haben, uns näher mit Stützel zu beschäftigen – was für uns zu einem sehr großen Gewinn an Klarheit und Präzision geführt hat.  Stützels Saldenmechanik ist, wie der Vortrag von Thomas deutlich machen sollte, zu einem Kernbestandteil unserer Arbeit geworden.

Wir streifen zunächst verschiedene Aspekte von Stützels Werk: sein Ziel, alte Scheindebatten um vage Begriffe (wie „Geld“, „Sparen“ oder „Kapital“) durch begriffliche Präzision überflüssig zu machen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Saldenmechanik mit stock-flow-consistent modelling und Modern Monetary Theory, und die spezifischen Beiträge von Stützel zur Makrokökonomik. Dazu gehört das Gleichschrittkonzept und Stützels präzise Unterscheidung von 4 verschiedenen Gleichheitstatbeständen, die – beispielsweise in der Neoklassik – oft unbemerkt identifiziert werden (Gleichschritt, Gleichgewicht, Gleichbleiben der Gesamtausgaben-/Einnahmen-stromstärke, Gleichbleiben des realen Kapitalstocks). Hiermit löst Stützel sein Versprechen ein, Scheinkontroversen durch präzise Begriffsunterscheidungen als solche erkenntlich und überflüssig zu machen.

Wir kommen auch auf Stützels auch unter „Stützelianern“ wenig rezipierte Dissertation von 1952 „Wert, Preis, Macht – analytische Theorie des Verhältnisses der Wirtschaft zum Staat“ (Aalen 1972) zu sprechen, in der er – schon vor der Entwicklung der Saldenmechanik – eine „zu einer allgemeinen ökonomischen Machttheorie ausgebaute Wert- und Preistheorie“ entwickelt hat.

Schließlich leiten wir über auf die rechtsinstitutionellen Fundamente der Saldenmechanik, indem wir zeigen, daß auf Buchung und Gegenbuchung basierende buchhalterische Idenditäten – Kernbegriff der Kredit- und Saldenmechanik – zwei Enden eines an Dritte übertragbaren Rechtsanspruchs darstellen, der verschwindet, wenn kein Staat ihn durchzusetzen verspricht: in weak states ohne verläßliches Vertragsrecht können keine sicheren Kreditbeziehungen, keine Forderungsabtretungen an Dritte, und damit kein funktionsfähiges Kredit- und Finanzsystem entstehen.  Mangelndes verläßliches Vertragsrecht ist eine Realität in vielen Entwicklungsländern mit hochinflationierender Währung, die von den ökonomischen Standardtheorien übersehen wird, weil ihnen ein Sensorium für die rechtsinstitutionellen Fundamente des Kredit- und Finanzsystems fehlt.

Man sieht auf einen Blick, daß die Stärke des Staats, und Sicherheit der Eigentumsrechte sehr stark mit dem Ausfallrisiko für Kredite, dem Inflations- und dem „Korruptions“-Niveau korrelieren:

Quelle: Fund for Peace

 

Quelle: Americans for Tax Reform/Property Rights Alliance

Source: IMF/M. Tracy Hunter

Aber auch innerhalb Europas und innerhalb der Eurozone gibt es diesbezüglich ein oft vergessenes Nordwest-/Südost-Gefälle.

Um diese Probleme zu lösen, wäre state & institution building nötig – ein Thema, das mittlerweile ins Bewußtsein der internationalen Institutionen gedrungen ist, aber von Keynesianern nach wie vor übersehen oder sogar ignoriert wird, wie wir hier anhand des Beispiels Heiner Flaßbeck gezeigt hatten.  Einige Gründe dafür beschreibt Benito Arrunada in diesem Vortrag, in dem er sein Buch „Institutional Foundations for Impersonal Exchange“ vorstellt.

Stützel hat diese rechtsinstitutionalistische Fundierung nicht nur – explizit das Werk von John R. Commons aufgreifend und weiterentwickelnd – konsequent selbst praktiziert, sondern immer auch konsequent eingefordert.  Er setzte das an der Universität des Saarlands auch in der Lehre nicht zuletzt dadurch um, daß die Fachbereiche Jura, VWL und BWL sehr eng kooperierten.