Law & Finance – Neue Ansätze

Wir möchten all jenen, die an unserer Arbeit interessiert sind, einen Vortrag von Katharina Pistor empfehlen, den sie 2014 in Frankfurt gehalten hat (und der sich nicht in unseren youtube-kanal integrieren ließ).

Den Link findet ihr am Ende dieses kurzen Texts!

Wir können Pistor nur voll zustimmen, wenn sie sagt:

„Ich denke, daß man diese verschiedenen Bereiche (und Fachdisziplinen) mehr zusammenführen müßte.  Den Sozialwissenschaftlern und Ökonomen, die versuchen, Recht als Institution zu begreifen, möchte ich sagen, daß man das kapitalistische System und das globale Finanzsystem nicht voll verstehen kann, wenn man sich nicht detailliert mit den rechtlichen Institutionen beschäftigt, die dieses System begründen (nicht vollständig determinieren – aber begründen).  Man muß diese Institutionen kennen, man muß auch wissen, wie sie eingesetzt, benutzt und umgewandelt werden von den wichtigsten Akteuren gerade im Finanzsystem – d.h. den Anwälten, Regulatoren und Finanzintermediären [und, wie wir von ANEP hinzufügen würden, von transnationalen Konzernen, d. Red.].

Den Juristen würde ich sagen, wir haben zwar ein dogmatisches Methodenverständnis entwickelt, das uns hilft, einzelne Rechtsinstitutionen systemimmanent zu erklären.  Und doch können wir daraus allein die breiteren Systeme, in denen wir uns befinden und bewegen, nicht voll erklären.  Wir brauchen letztendlich beides. D.h. Juristen müßten sich öffnen und schauen, welche Auswirkungen eigentlich die dogmatischen Strukturen (des Rechts) haben, und die Sozialwissenschaftler müßten sich mehr mit den Details der juristischen Figuren auseinandersetzen.“

So ist es:

Sozialwissenschaftlern, die nicht präzise unterscheiden können zwischen

  • Eigentum und Besitz sowie Sachen und Rechten bzw. Rechtsobjekten 2. und 1. Ordnung
  • Privatrecht, Öffentlichem Recht und Völkerrecht
  • Vermögen, Geld und Kapital
  • Nettogeldvermögen und Zahlungsmitteln
  • Einzahlungen/Auszahlungen, Einnahmen/Ausgaben und Erträgen/Aufwendungen
  • Leistungsbilanz-/Einnahmeüberschüssen und Profiten
  • Staatlich vermittelten, formalen Rechts- und Verpflichtungsbeziehungen (z.B. Vertrag, Steuerpflicht) und informellen, direkt persönlichen Beziehungen („Reziprozität“)

fehlen die begrifflichen Mittel, um Kapitalismus – d.h. die antike und moderne europäisch-westliche Zivilisation – schlüssig und präzise verstehen zu können.

Deshalb bemühen wir uns bei ANEP, über die Integration von Schlüsselkonzepten aus Recht, doppelter Buchhaltung, volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung und Stützel’scher, saldenmechanisch fundierter Makroökonomie, nicht nur den Blick über den Tellerrand der Fachdisziplinen zu ermöglichen, sondern diese systematisch und begrifflich präzise integrierbar zu machen.

Das gehörte auch zu  Wolfgang Stützels zentralen Anliegen. Ihm war sehr klar bewußt, daß die Fachdisziplinen oft aufgrund mangelnder präziser gemeinsamer Begriffsgrundlagen aneinander vorbeireden und nicht fruchtbar kooperieren können.  Am deutlichsten hat er das vielleicht in seinem Aufsatz, „Wirtschaftstheorie und Rechtspolitik“ dargestellt, der 1978 im Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftpolitik (Bd. 23, S. 107-123) erschienen ist.   Um hier integrierend zu wirken, hatte er an der Universität des Saarlands das Institut für civilistisch-ökonomische Studien gegründet.

Wir brauchen mehr solcher Institute – und Katharina Pistor bemüht sich darum, ein solches aufzubauen: das Global Law in Finance Network an der Columbia University in New York, das auch mit der Goethe-Universität Frankfurt kooperiert.

In Frankfurt fand auch Katharina Pistors Vortrag statt: click here to view !

Sie verdient alle Unterstützung bei ihren wichtigen Bemühungen – auch um WINIR, das World Interdisciplinary Network for Institutional Research.

Wir empfehlen auch ihre Texte, „A Legal Theory of Finance„, „The State, the Market and the Rule of Law: a Restatement“  und „Legal Institutionalism: Capitalism and the Constitutitve Role of Law“ (zum downloaden und lesen jeweils draufklicken).

Weiteres Material zum Thema in der Literaturliste zu unserem Einführungsseminar.   Videos unserer dortigen Einführungsvorträge hier.

Ein Kommentar

  1. Charlotte Bruun hat auf facebook kommentiert:

    “Reading the word socialeconomics is nice. I just read that in the US the have to name economics classes mathematical economics to make (Chinese??) student enter.“

    Antwort (von moneymind):

    Hi Charlotte,

    thanks for your kind comment!

    I don’t see anything wrong with mathematics per se, obviously business is about accounting for and doing mathematical calculations with an elusive immaterial form of legal power over other persons we call „monetary value“.

    But before we start quantifying and calculating, we wanna qualitatively conceptualize what it is that we are quantifying. This conceptual work has to come first: we need to make the right distinctions on THAT level. If we get that wrong, all quantifications that follow on a useless qualitative conceptual basis become useless and removed from practical business reality as well. It’s about qualitative model building, first. What we are quantifying when we estimate the value of our property is legal power over other legal persons. In the case of property, the power to withhold (John R. Commons) – to exclude everyone else from any disposition of our property.

    And as Stützel maintained and demonstrated, we should use business administration – practices developed by renaissance merchants in a roman law environment – as the microfoundation for macro models that make sense. “Capitalism” means: businesspeople dealing with money-denominated legal rights and obligations enforceable by a state via a system of civil courts. And that, as you say, is all about social relations – power relations (in german, „Vermögensmacht“). Not about some fictitious universal representative agent trying to “deal with scarce resources” – that’s underspecified fluff.

    John R. Commons had that one figured out, see his 1924 „Legal Foundations of Capitalism“, Chap. 2: “Property, Liberty and Value” – https://socialsciences.mcmaster.ca/…/LegalFoundationsCa… , and re: “credit, money & value” his 1934 “Institutional Economics”, Chap. IX “Futurity” https://babel.hathitrust.org/cgi/pt… . Rudolf Kaulla put it even more clearly in his 1916 „Das Objekt des Tauschwerts“ (unfortunately, only in german): https://archive.org/stream/festschriftfrl00bren… .

    But neither of them ever systematically connected that to accounting, and to precise accounting based macro modelling. It was Stützel who took up that task (see his references to Commons and the german “socio-legal school” in his 1952 Dissertation, “Preis, Wert und Macht – analytische Theorie des Verhältnisses der Wirtschaft zum Staat”. And he did get pretty damn far with it – but not many people “got it”, as is the case with many innovators who innovated too much in an innovation-unfriendly environment: the academic sector is part of the state sector, and organized like socialism. Good at preserving traditions, sucking at innovating – that’s for Schumpeterian “creative destroyer” entrepreneurs.

    Hell, what a facebook post … now, sell it, Zuckerberg, eh?

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